Die Gottesanbeterin (Mantis religiosa) wird schon
seit über 2000 Jahren als mystisches Tier gesehen und findet sich so in den Darstellungen wieder. Bei den Griechen waren sie so göttlich eingeschätzt, dass sie mit ihren nach vorne
gerichteten Armen die Richtung vorgaben. In Südafrika gelten sie bei den Khoesan-Völkern als heilig, und überall wo eine Gottesanbeterin auftaucht, wird ein Fest gefeiert. Schon Carl von Linne
gab der Fangschrecke 1758 den wissenschaftlichen Namen "religiosa", die "Fromme" oder auch "Gottesfürchtige".
Diese mystische Seite der Gottesanbeterin habe ich versucht in Bildern festzuhalten.
Ebenso kommt die mystische Seite vor dem Vollmond gut zum Ausdruck. Diese Darstellung ist jedoch nicht einfach umzusetzen. Hierzu wird eine kamerainterne Doppelbelichtung durchgeführt,
also erst die Gottesanbeterin scharf ins Bild gerückt, dann den Mond. Beide Bilder fügt die Kamera zu einem Bild zusammen. Nur so lassen sich beide Fokuspunkte scharf ablichten, die Bilder sind
nicht in Photoshop entstanden, sondern so im Lebensraum.
Die Gottesanbeterin (Mantis religiosa) ist mit 8 Subspezies über die gesamte Paläarktis bis Südafrika verbreitet. Sie besiedelt hier insbesondere warme, trockene Stellen. In Deutschland breitet
sich die Gottesanbeterin auf Grund der Klimaerwärmung derzeit über den Oberrheingraben nach Norden aus. Da die Weibchen flugunfähig sind, ist der Ausbreitungsradius entsprechend von Generation zu
Generation sehr gering. Anders sieht es aus, wenn wie in Berlin oder Sachsen (Nochten) vermutlich Ootheken über Fahrzeuge (meist Militärfahrzeuge aus Südeuropa) eingebracht werden. An günstigen
Stellen kann sich so unter Umständen eine stabile Population bilden. Der limitierende Faktor für das Vorkommen ist weniger die Temperatur (Ootheken vertragen bis -40 Grad C), vielmehr
ein ausreichendes Angebot an kleinen Insketen nach dem Schlupf der Larven.
Die Geschlechter der Mantis lassen sich relativ gut unterscheiden. Die Männchen besitzen einen schlanken Körper mit langen Fühlern auf denen sich Sinnenzellen befinden. Neue Untersuchungen
zeigen, dass die Antennen der Männchen jeweils mit 20360 Chemorezeptoren besetzt sind, bei den Weibchen lediglich mit 730. Daraus lässt sich leicht ableiten, dass die Sinneszellen zur
Wahrnehmung der Geschlechtspheromone dienen.
Interessant finde ich neben den beiden Komplexaugen auch die drei Ocellen auf der Stirn der Gottesanbeterin. Sie dienen vermutlich nicht der Bilderzeugung, sondern vielmehr der Orientierung im
Flug oder auch Messung der Tageslänge. Bei den flugfähigen Männchen sind diese Ocellen wesentlich deutlicher ausgebildet.
Spannend find ich das Abwehrverhalten der Gottesanbeterin. Auch wenn sich 2 weibliche Tiere begegnen, gehen die Tiere in die sogenannte "Truthahnstellung" über und geben zischenden Geräusche
mit ihren Flügeln von sich. Selbst als Beobachter zuckt man da schnell einmal zusammen und glaubt gefährliche Individuen vor sich zu haben.
Das Tier links konnte ich in der schütteren Vegetation auf der Halbinsel Kamenjak in Istrien festhalten. Zwei Weibchen waren sich hier sehr nahe gekommen und drohten mit dieser Abwehrhaltung. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass die Tiere an heißen Tagen schneller in diese Abwehrhaltung übergingen. Vielleicht handelt es sich auch um eine innerartliche Verständigung, obwohl die Tiere oftmals leichte Beute gewesen wären, sind sie sich lieber aus dem Weg gegangen, zu keinem Zeitpunkt wurde ein anderes Weibchen gepackt.
Ganz besonders spannend läuft die Paarung der Gottesanbeterinnen ab. Hinlänglich ist bekannt, dass die Weibchen die Männchen nach der Begattung auffressen. Wissenschaftliche Studien haben aber
gezeigt, dass dieses nur bei ca. 40% der Paarungen erfolgt, was ja auch nicht gerade wenig ist. Die folgende Paarung zeige ich einmal in allen Abläufen. Das Weibchen hat zunächst
eine Heuschrecke als "Vorspeise", das Männchen nähert sich relativ plump von hinten. Ich dachte mir schon "wenn du mal nicht besser aufpasst". Zum Glück war das Weibchen zunächst gesättigt und
das Männchen konnte die Paarung durchführen. Leider brach die Dunkelheit herein und ich konnte erst am nächsten Morgen feststellen, dass Flügeldecken des Männchens unter dem Halm lagen,
also ein dummes Männchen.
Bei der folgenden Verpaarung hatte das Männchen mehr Glück, oder es war recht klug. Es näherte sich sehr vorsichtig so von hinten, dass das Weibchen trotz Abwehrversuche das Männchen nicht packen konnte. Die Paarung selber hielt genau 2,5 Stunden, dann sprang das Männchen in einem Satz nach hinten weg, das Weibchen hätte überhaupt keine Möglichkeit das Männchen zu packen, kluges Männchen. Diese Gene kann das Männchen jedenfalls auch an einem anderen Weibchen noch weiter geben, die Evolution bleibt spannend, nicht aber für die dummen Männchen.
Der Sexualkannibalismus hat natürlich auch seine biologische Bedeutung. Bei Nahrungsknappheit kann das Weibchen, insbesondere wenn es sich mit mehreren Männchen verpaart und verspeist, so einen
genügend großen Energiereserve anfressen um genügend Ootheken ablegen zu können.
Die Ootheken selber werden in die niedere Vegetation oder an oder unter Steinen befestigt. Das Schaumsekret erhärtet schon nach wenigen Stunden und bietet den 60-120 Eiern einen sehr guten
Schutz.
Abschließend möchte ich noch ein paar andere fotografische Umsetzungen dieser interessanten Fangschrecke zeigen. Es gäbe noch viele spannende Infos, würden hier auf der Seite aber zu weit führen.
Nach den Bildern gebe ich deshalb noch ein paar Literaturtipps.
Am Ende möchte ich noch auf eine Nasenschreckenart aufmerksam machen, die ich in Istrien oft neben der Gottesanbeterin gefunden habe, es ist die Gewöhnliche Nasenschrecke (Acrida
ungarica).
Auch sie zeigt eine interessante Biologie und ist nicht zuletzt durch ihr besonderes Äußeres eine interessante Schreckenart.
Ich hoffe der Ausflug in das Reich der Fangschrecken war nicht zu umfangreich. Sicher wird der Beitrag in diesem Jahr durch aktuelle Aufnahmen der Larvenstadien erweitert.
Literaturempfehlung:
Fellinger (M.&R.) 2014: Faszinierende Kannibalen - Die Gottesanbeterin Mantis religiosa und ihr natürlicher Lebensraum, (Natur und Tierverlag, Münster
Schummelpfennig (U. & J.) 2014: Die Gottesanbeterin Mantis religiosa - Ein Insekt der Superlative, Reptilia Nr. 108, S. 46 - 51
Das wissenschaftliche Standardwerk, sehr zu empfehlen!:
Berg, Manfred; Schwarz, Christian und Mehl, Jürgen 2011: Die Gottesanbeterin Mantis religiosa; Die Neue Brehm-Bücherei Bd. 656
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